Fürst Paul Esterházys Prunkwallfahrt nach Mariazell anno 1692

von Sepp Gmasz

Schräg über dem Eingang zur Sakristei der Mariazeller Basilika hängt seit Jahr und Tag ein bemerkenswert großes Votivbild, datiert mit 1689. Es zeigt Fürst Paul Esterházy und seine zweite Frau Eva Thököly kniend vor der auf Wolken thronenden Himmelskönigin. Zwischen beiden erkennt man im Vordergrund das Schloss Esterházy in Eisenstadt und schräg dahinter die Burg Forchtenstein, die beiden Herrschaftssitze des Familie Esterházy. 

In Ungarn genoss die Hl. Maria seit der Zeit König Stephans als Patrona Hungariae große Verehrung. Diese steigerte sich noch während der Türkenkriege und der Gegenreformation, weil Maria als Symbol des Befreiungskrieges galt. Darauf könnte die Schlachtenszene im Bildhintergrund hinweisen.

Die Marienverehrung war Paul Esterházy, der am 8. September 1635 (Fest Mariä Geburt) in Eisenstadt geboren wurde, gleichsam in die Wiege gelegt. Pauls Mutter Christina Nyáry war eine tiefgläubige Frau. Sie verfasste ein eigenes Gebetbuch und soll mit Maria auch Zwiegespräche geführt haben. Die schulische Erziehung genoss Paul bei den Jesuiten in Tyrnau und Graz. Durch den frühen Tod seines älteren Bruders Ladislaus, der 1652 in der Schlacht von Vezekény gefallen war, musste Paul mit 17 Jahren die Führung des mittlerweile mächtigen Familienimperiums antreten. Stets den katholischen Habsburgern treu ergeben, machte er eine Bilderbuchkarriere: 1674 wurde er Reichsritter, 1679 kaiserlicher Geheimrat, 1681 Palatin von Ungarn, 1682 Ritter des Goldenen Vlieses; er nahm am Entsatz Wiens und an der Eroberung Ofens teil und wurde 1687 von Kaiser Leopold I. in den Fürstenstand erhoben. Seit dieser Zeit führen die Esterházy das „L“ als kaiserliche Initiale im Familienwappen.

Seine erste Frau Ursula Dersfy schenkte ihm in dreißig Ehejahren 17 Kinder, seine zweite Frau Eva Thököly acht. Er starb am 26. März 1713 in Eisenstadt im Rufe eines der bedeutendsten europäischen Barockfürsten. Denn Paul Esterházy war nicht nur Feldherr, Politiker und Ökonom, er beschäftigte sich auch mit Astrologie, Musik und Literatur und korrespondierte mit den bedeutendsten Köpfen seiner Zeit. Er unterhielt eine stattliche Hofkapelle, war als Jugendlicher leidenschaftlich an Schwerttänzen beteiligt und spielte selber Theater. Mit seinem Kantatenwerk “Harmoniae coelestis” (gedruckt 1701) gilt er als wichtigster Vertreter der ungarischen Barockmusik, er verfasste mehrere geistliche Bücher, schrieb aber auch Naturlyrik und Liebesgedichte. Er unterstützte die gegenreformatorischen Bestrebungen seiner Zeit, bot gleichzeitig aber auch den aus Österreich vertriebenen Juden Schutz auf seinen Territorien. Seine pragmatische und künstlerische Veranlagung floss in das religiös geformte Weltbild ein, die Vergeistigung der neuen Weltlichkeit vereinigte sich mit der mittelalterlichen Spiritualität, das macht ihn zum typischen Vertreter des barocken Zeitgeistes. 

Mit dem Konzil von Trient (1545-1563) hatte ein neuer Aufschwung des Wallfahrtswesens eingesetzt, wobei die Ausprägung des barocken Lebensstils und – gefühls für deren Wiederaufblühen entscheidend wurde. Paul Esterházy erlebte am Wiener Hof nicht nur das prunkvolle Opern- und Konzertleben mit, sondern war auch von den festlichen Prozessionen als Demonstrationen des wieder hergestellten Glaubens tief beeindruckt. Durch die Errichtung von Wallfahrtszentren in den Dörfern seines Herrschaftsbereiches (Loretto, Rattersdorf, Forchtenau, Frauenkirchen, Eisenstadt-Oberberg) versuchte er, auch die sogenannten Kleinen Leute am Heilsgeschehen teilhaben zu lassen. Im Zentrum dieser Gnadenorte stehen Devotionalkopien international bekannter Kultstätten. Man kann geradezu von einer konzeptuellen Marianisierung seiner Territorien sprechen. Trotzdem blieb Mariazell der Hauptanziehungspunkt der westungarischen Wallfahrer, allein Paul Esterházy soll Zeit seines Lebens 58 Mal hierher gepilgert sein. 1692 hat er eine besonders spektakuläre Prozession mit über 11.000 Beteiligten organisiert, wobei jedem von ihnen eine bestimmte Rolle zugemessen war. Eine genaue Ordnung dieses Zuges findet sich im Archiv des Stiftes Heiligenkreuz. Leider sind uns über die dabei erklungene Musik keine direkten Quellen bekannt. Aufgrund zweistimmig notierter Cantiones für Clarini, die sich zur fraglichen Zeit in Esterházyschem Besitz befanden („Codex Vietoris“), können wir allerdings mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass die dabei mitmarschierenden Trompeter der Unterstützung des Volksgesangs dienten. Die Ordnung des Zuges mit den Knaben und Männern vor dem Allerheiligsten und den Mädchen und Frauen dahinter entsprach bis in die jüngste Zeit dem Ablauf einer feierlichen Prozessionsordnung im Burgenland.

Hier nun der im genannten Dokument geschilderte Ablauf jener Prozession, wie sie 27. August 1692 um 16.00 Uhr in Eisenstadt aufgebrochen ist:

1. Zuerst ging der Führer der Prozession, im langen blauen Kleide, mit einem Kranze auf dem Haupte, und in den Händen Wappen und Stab tragend.
2. Dann folgte eine große rote, vergoldete Fahne, welche von drei Männern, die ebenfalls blau gekleidet und bekränzt waren, getragen wurde.
3. Knaben aus allen Dominien, zwei und drei gehend, nach jedem Hundert ein Paar Fahnen, im Ganzen 3860.
4. Eine Fahne, vor welcher ein Mann im blauen Kleide mit Stab und Wappen, und nach derselben erwachsene Männer, an der Zahl 2360.
5. Wieder ein bekränzter Mann im blauen Kleide, nach demselben eine Fahne mit den älteren Einwohnern der Dominien, im Ganzen 1050.
6. Abermals ein Mann, bekränzt und blau gekleidet, mit Stab und Wappen, dann die Fahne von Eisenstadt mit den Bürgern derselben Stadt an der Zahl 100.
7. Ebenfalls ein Mann im blauen Kleide, bekränzt mit Stab und Wappen; dann zwei kleinere Fahnen, von zwei Knaben getragen, denen die Trompeter und Paukenschläger folgen.
8. Die Musiker, paarweise und die Litaneien singend.
9. Eine Standarte mit 6 Ministranten; hierauf die 15 Mysterien des Rosenkranzes.
10. Die Pfarrer und andere Geistliche in Chorröcken, ihnen zunächst wurde die Statue des Jesukindlein auf einer Stange getragen.
11. Vier Geistliche im vollen Ornate.
12. Vier Prälaten mit Musikern und andern Geistlichen, im Ganzen 100.
13. Der Palatin.
14. Viele Grafen und Freiherren, paarweise, namentlich die Grafen Ladislaus Csáky, Emerich und Peter Zichy, die drei Söhne des Palatins, Adam, Joseph und Sigismund Esterházy, die Grafen Joseph und Franz Esterházy, Stephan Nádasdy, u.s.w.
15. Der übrige Adel und die Hofdienerschaft.
16. Wieder ein Mann im blauen Kleide, bekränzt, mit Stab und Wappen, und gefolgt von einem Fahnenträger.
17. Acht weißgekleidete Jungfrauen, in den Händen Stäbe mit Wappenschildern tragend, und goldene Kronen auf dem Kopfe.
18. Vier Mädchen mit der Statue der seligsten Jungfrau, ebenfalls weiß gekleidet und mit goldenen Kronen auf dem Haupte.
19. Die Gemahlin des Palatins.
20. Mehrere Gräfinnen, die Witwen Esterházy und Nádasdy, die Fräulein Klara, Juliana, Christina, Maria Esterházy und andere Damen.
21. Edlere Frauen, an der Zahl 120.
22. Eine Fahne und nach derselben die Jungfrauen aus den verschiedenen Dominien, mit aufgelösten und bekränzten Haaren, 1235.
23. Eine Fahne mit den Frauen, 710.
24. Wieder eine Fahne, und nach derselben Männer, welche ihre Arme in Kreuzesform ausstreckten, im Ganzen 510.

Kutschen und andere Wägen, Kamele und Pferde schlossen die Prozession, die insgesamt aus 11.200 Personen bestand.