Call: Sommerakademie Volkskultur als Dialog. Migrationen und Ortswechsel. Kultur als Gepäck

Anna-Maria Hammer (anna) on 05 Feb 2020

26. – 29. August 2020, Hotel Magerl Gmunden
 

Die Menschheitsgeschichte ist auch eine Geschichte von Migrationen. Ihre Dramatik ängstigt in Österreich mehr Menschen als der Klimawandel, der sie oft auslöst.

Migrationen und Ortswechsel vollziehen sich immer mit kulturellem Gepäck, Erfahrungen, Vorstellungen, Praxen – mit Materiellem und Immateriellem. Das ist kein einseitiger Prozess, denn es verändern sich auch die Alltage der „Eingesessenen“. Die Neuen und ihre Anschauungen werden erst einmal kritisch beäugt. Lieder, Erzählungen, Kleidung, Bräuche, Essen oder Symbole erscheinen fremd, aktivieren das Nachdenken über das Eigene und geben „Volkskultur“ einen neuen Drall.

Mitgebrachte Kultur kann hilfreich sein und der Selbstbehauptung in einer neuen Umwelt dienen. Nicht immer wird sie gleich ausgepackt. Lästig mag sie werden, wird man mit Klischees wie dem Jodeln identifiziert, das zu den kollektiv geformten Kulturbeständen gehört, die sich in Praxen und Produkten realisieren. Ihre „Besitzer“ können mit ihnen Zugehörigkeit ausdrücken, sich als Eigentümer materieller und immaterieller Güter verstehen. Das Beispiel des Jodelns lässt auch erkennen, dass „Typisches“ aus seinem früheren Zusammenhang herausgelöst wird und eine neue Bewertung erhält. In der Zertifizierung als UNESCO-Kulturerbe wird  es als „Cultural Property“ neu stilisiert und dann ideeller und ökonomischer Verwertung zugeführt.

Kultur ist das, was Menschen miteinander teilen, was sie auch zur Unterscheidung nutzen. Sie ist das, worauf sich die Einen und die Anderen verständigen und als Gemeinsames ständig neu auszuhandeln versuchen. Es lohnt sich zu fragen, wie und unter welchen Bedingungen mit „Cultural Property“ umgegangen wird. Wir erfahren dann auch mehr über Heimaten und ihre Bilder, über das Reisen und die verschiedenen Ortswechsel wie auch über Flucht und Vertreibung und Formen des Ankommens wie des Scheiterns.

Wir laden ein, über die vielen Formen des Ortswechsels und den Umgang mit Mitgebrachtem und Vorgefundenem zu berichten, über das, was man heute Sampling und Collagieren nennt. Die Geschichten können von fernen Ländern erzählen, aber auch von solchen zwischen Land und Stadt und zurück berichten. Wer könnte uns sonst erzählen, warum sich Städter Bauernstuben einrichteten und dort Volkstanz betrieben und wer könnte uns sonst erzählen, warum und wie Musiken und Tänze, Kleider und Erzählungen als „Moden“ mit Menschen gewandert sind und Lebensstile bestimmten?

Anhand von Vorträgen, Diskussionen Workshops wird bei der Sommerakademie ein im mehrfachen Sinne offenes, weites Feld historischer wie gegenwärtiger Beispiele von Volkskultur im traditionellen herkömmlichen Sinn, im sozialen Gebrauch, in therapeutischer Funktion und im Bildungsbereich diskutiert. Wir rufen daher Personen aus der Volkskultur, aus dem Sozial-, Musik- und Bildungsfach auf, Vorträge, Workshops, Präsentationen aus Wissenschaft und Praxis einzureichen, die sich mit Ortswechsel, Migration, Fremden, „Cultural Proberty“, Sampling… von Volkskultur in Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen.

Wir freuen uns auf Einreichungen bis zum 31. März 2020 unter sommerakademie(at)volksliedwerk(dot)at

Weitere Informationen unter: https://volksliedwerk.at/sommerakademie-volkskultur-als-dialog/

Sommerakademie

Die Sommerakademie „Volkskultur als Dialog“ wird seit 1992 mit Unterbrechungen abgehalten. Sie ist eine Diskussionsplattform, die sowohl den praktischen als auch den theoretischen Zugang zur Volkskultur zu hinterfragen und zu überprüfen versucht. Ziel dieser jährlichen Veranstaltungsreihe ist es, das breite Betätigungsfeld der Volkskultur zu reflektieren und Brücken zu schlagen zwischen jenen, die Volkskultur leben, und jenen, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen. Denn Volkskultur ist ein lebendiger Dialog zur Selbstvergewisserung unserer modernen Lebenswelt.

Ausgewählte Beiträge der Sommerakademien sind in den jeweils darauf folgenden Jahrbüchern des Österreichischen Volksliedwerks nachzulesen.

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